Hellblade: Senua’s Sacrifice

Hellblade Senua's Sacrifice Senua psychosis Ninja Theory mental illness PS4 Playstation Indie Indies Video Games Videogames

So macht man ein Kampfspiel zu einem Kunstwerk.

Ein Paradebeispiel dafür, was man erreichen kann, wenn man die Sprache dieses Mediums richtig nutzt, um bedeutungsvolle Geschichten zu erzählen und gleichzeitig herausforderndes Gameplay zu bieten. Gameplay und Story sind hier ineinander verwoben und das Ergebnis ist wirklich einzigartig.
Das ganze Erlebnis versetzt uns in Senuas Psyche. Sie leidet an einer schizophrenen Psychose und die audiovisuelle Umsetzung dieser schweren psychischen Störung ist absolut beeindruckend und sogar ziemlich authentisch. Ninja Theory setzen sich hier tief mit dem Thema auseinander.
Es ist endlos faszinierend, da kommt eine Idee nach der anderen. Beim Script gibt es nichts zu Meckern, Story und Charaktere wurden insgesamt wunderbar ausgearbeitet. Senuas Darstellerin war zudem verdammt stark und wird Ende des Jahres für die beste weibliche Performance nominiert sein.

Das Charakteremodell hat mir sehr gut gefallen, ziemlich detailliert, auch das Lighting und die Animationen, visuell überzeugt Hellblade voll und ganz, es ist der Beweis, dass man keine AAA-Gelder benötigt, um ein optisch eindrucksvolles Spiel zu erschaffen.

Es herrscht stets eine unglaublich dichte Atmosphäre, nicht nur wegen den surrealen visuellen Effekten, natürlich auch dank des hervorragenden Sounds. Wie hier alleine die Stimmen im Kopf nachempfunden wurden, das ist meisterhaft umgesetzt.

Viel besser kann man es auch nicht inszenieren, eben gerade in Verbindung mit dieser Psychose, doch auch die Kämpfe sind rasant und von den Bewegungsabläufen her schön flüssig und spektakulär.
Die Rätsel fand ich ehrlich gesagt gelungen, also ich zumindest hatte meine Freude daran, diese Runen in der Gegend zu suchen. Selbst das basiert übrigens auf Berichten von Erkrankten, dass sie gewisse Symbole in ihren Umgebungen suchen und erkennen. All diese Effekte lassen uns in die Welt einer Person eintauchen, die an einer schizophrenen Psychose erkrankt ist, diese Dinge wurden genial ins Spiel integriert.

Was negativ ist?

Nicht viel und auch nicht Dinge, die für jeden relevant sind.

Obwohl z.B. die Kämpfe Sinn machen und Senuas inneren Kampf symbolisieren, sind sie dennoch etwas zu traditionell. Hellblade kann nur von „geübten“ Spielern genossen werden, was schade ist. Kunst sollte für alle Menschen zu erleben sein, eine Quicktime-Events-Option für die Kämpfe wäre schön gewesen.
Die Kämpfe hätten auch abwechslungsreicher sein können, sie wirkten oft gleich, man hätte bei den Bossen auch ruhig kreativer sein können.

Die Story wurde etwas zu viel in Zwischensequenzen erzählt, auch wenn diese super umgesetzt wurden. Vor allem die letzte Sequenz war viel zu lang, da muss mehr Interaktion geboten werden.

Das Story-Telling konnte einen manchmal Mühe bereiten, das ganze Erlebnis hätte noch etwas runder oder angenehmer erzählt werden können, Edith Finch war da z.B. perfekt in der Erzählweise, anspruchsvoll aber auch bestens verfolgbar.

Wenn alle AAA-Games so ernsthaft derartige Themen behandeln würden, dann würde ich im Schlaraffenland leben. Hellblade ist wie ein großer Stinkefinger gegen die AAA-Industrie. Kein Publisher hätte sowas jemals finanziert (Entseidenn man nennt sich Naughty Dog).
Ninja Theory sind technisch auf Augenhöhe mit den großen Produktionen und bieten nicht nur gutes Gameplay, sondern auch eine wertvolle Story. Das war nur möglich, weil sie unabhängig arbeiten konnten. Man kann nur hoffen, dass Hellblade große Erfolge feiern wird und die Publisher dadurch animiert werden, in Zukunft auch mal mehr Risiken einzugehen und mal paar ernstere Themen anzuschneiden. Vielleicht gibt es ja dann öfter mal ein AAA-Kunstwerk zu bestaunen, so wie jetzt gerade Dunkirk im Kino.
Aber selbst wenn nicht, es werden immer mehr Indie-Studios wie Ninja Theory gegründet, die Spiele machen werden, die mehr zu bieten haben als der AAA-Einheitsbrei.

Hellblade macht jedenfalls fast alles richtig. Es ist sicherlich nicht für jeden geeignet, aber Ninja Theory nutzen das Medium perfekt, um das Thema Psychose zu behandeln und haben auch eine wunderschöne Botschaft am Ende. Das Gameplay harmoniert mit der Story, alles wurde auf hohem Niveau umgesetzt, mir persönlich waren die Kämpfe zu anstrengend, aber ansonsten ist es ein kleines Meisterwerk, audiovisuell und inhaltlich von aller erster Güte.

9/10

Filmmeisterwerke zum Thema Psychose:
„Ekel“ von Roman Polanski
„Wie in einem Spiegel“ von Ingmar Bergman