Interaktive Kunst?

Sind Videospiele Kunst? Diese Frage wurde schon oft heiß diskutiert, meine Antwort lautet ja und nein. Wichtig ist, dass die Werke an sich beurteilt werden, nicht der Schaffensprozess und es muss auch beachtet werden, dass der Begriff „Videospiel“ heute sehr veraltet ist und eigentlich gar nicht mehr auf jeden Titel zutrifft.

Fifa, Gran Turismo oder Overwatch haben mit Kunst nichts gemeinsam, es sind eben Spiele, vergleichbar mit Sport oder Brettspielen wie Monopoly. Es gibt Regeln, es geht um Sieg und Niederlage, es geht um Herausforderung, es geht um Spaß.

Es gibt aber eben auch gewisse interaktive Erlebnisse, die mehr sind, als nur ein Spiel. Sie haben vielleicht eine tiefere Bedeutung, lösen allemöglichen Gefühle in uns aus, vermitteln uns wertvolle Botschaften, erzählen über uns Menschen, über das Leben, über die Gesellschaft oder über historische Ereignisse. Diese Erlebnisse bezeichne ich als interaktive Kunst. Bei ihnen geht es im Kern um das Erlebnis, nicht um Spielspaß oder Herausforderung usw.

Man schaue sich den Titel „That Dragon: Cancer“ an. Die Macher verarbeiten in ihrem interaktiven Erlebnis den Verlust ihres Kindes. Wir resonieren mit diesem Werk genauso, wie wir mit Gemälde resonieren würden, die diese Tragödie verbildlicht hätten, oder Filme, die uns diese tragische Geschichte näher gebracht hätten. Der Künstler drückt sich damit aus, es ist Kunst.

Das Problem ist, dass es viele interaktive Erlebnisse gibt, die irgendwo zwischen Spiel und Kunst angesiedelt sind, und diese müssen dafür kritisiert werden, weil sie sich weder dem einen noch dem anderen Ideal annähern. Entweder man konzentriert sich komplett auf Spielspaß, oder man konzentriert sich aufs Story-Telling oder eben darauf, ein möglichst kohärentes Kunstwerk zu erschaffen.

Letzteres funktioniert, in dem man z.B. Gameplay und Story miteinander verschmelzen lässt. Das Gameplay muss dabei aber komplett Sinn ergeben innerhalb der Story, und die Story muss wiederum mit bzw. während des Gameplays erzählt werden.

Das geschieht in Titeln wie Firewatch, Gone Home, Heavy Rain oder eben auch That Dragon: Cancer. Die Gameplay-Mechaniken dienen da nur dazu, die Story bestmöglich zu erzählen oder um Gefühle auszulösen, nicht um gezielt Spielspaß zu erzeugen oder um uns gezielt eine Herausforderung zu bieten, das würde da nunmal auch gar keinen Sinn machen innerhalb der Story. Klar, in Heavy Rain ist es zwar irgendwo herausfordernd, die Quick-Time-Events innerhalb kürzester Zeit zu bewältigen, aber sie bringen uns in die hektische und spannende Lage, in der sich die Charaktere auch gerade in der Story befinden, somit ergibt das Gameplay da auch Sinn innerhalb der Story.

Das ist zwar alles schon schwierig hinzubekommen als Entwickler, aber die Königsdiziplin ist, wirklich traditionelles spaßiges Gameplay mit der Story verschmelzen zu lassen. Zum Beispiel typische Shooter-Mechaniken, die sich aber natürlich der Story fügen.

Das beste Beispiel ist da Left Behind, der DLC zu The Last of Us. Zwar nicht durchgängig, aber Naughty Dog haben dort einige Sequenzen erschaffen, die das beste Story-telling bieten, welches es je gegeben hat in dieser Branche. Die Protagonistinnen Ellie und Riley albern im alten verlassenen Einkaufszentrum umher, finden dort Wasserpistolen und spielen damit. Sie versuchen sich gegenseitig abzuschießen, genauso wie es Kinder eben tun. Wir spielen also als Ellie und erleben das ganze interaktiv, es ist in dem Moment wie ein traditioneller Shooter, aber es ergibt gleichzeitig Sinn innerhalb der Story. Das ist wirklich meisterhaft umgesetzt.

Es ist jedenfalls wichtig, dass alles von einem interaktiven Erlebnis miteinander im Einklang steht. Das Gameplay darf nicht herausstechen oder an erster Stelle stehen, es muss einfach nur ins Gesamtbild, ins Konzept, passen. Wichtig ist also, dass das Werk kohärent ist, dass ein klarer Fokus zu erkennen ist und dass es uns etwas mitteilt und dass es uns bewegt, wie beim Betrachten der Mona Lisa oder beim Hören von Beethoven, dann ist es Kunst.

Die folgenden interaktiven Erlebnisse gehören in die Kategorie „interaktive Kunst“, bei einigen habe ich ein kleines Review hinterlassen:

Journey

Gone Home

Inside

What Remains of Edith Finch

Life is Strange

Bound

Everybody’s Gone To The Rapture

The Town of Light

Blackwood Crossing

Valiant Hearts

Virginia

The Last of Us

The Last of Us: Left Behind

Uncharted 4

The Vanishing of Ethan Carter

Kona

Dear Esther

Beyond Eyes

Beyond: Two Souls

Heavy Rain

P.T.

Night In The Woods

Brothers: A tale of Two Sons

Until Dawn

1979 Revolution: Black Friday

That Dragon: Cancer

Oxenfree

Her Story

This War of Mine

The Last Guardian

The Park

Depression Quest

The Walking Dead Season 1&2

The Unfinnished Swan

Hellblade

Deliriant

Leaving Lyndow

Layers of Fear

Last Day of June

Fragments of Him