Es ist wirklich bemerkenswert, wie erwachsen hier mit einem so ernsten Thema umgegangen wird. Ich glaube, das gab es so noch nie in einem interaktiven Erlebnis. Das war eine schonungslose Aufklärung über die Umstände in einer italienischen Psychiatrie zur Zeit des zweiten Weltkrieges. Es geht um einen Fall nach wahrer Begebenheit, der einen mächtig beeindruckt, der schockiert.
Rein inhaltlich könnte The Town of Light nicht stärker sein, jedoch muss es paar Abstriche in der Umsetzung und im Story-Telling machen. Es benötigt auf jeden Fall mehr Feinschliff, was aber alles nichts Schwerwiegendes ist.
Die Story hätte interaktiver erzählt werden müssen, vieles geschieht nur in Zwischensequenzen und zu oft wird das Erlebnis unterbrochen und ein Schriftstück oder sonstwas wird uns vorgelesen. Ein Hörspiel kann ja auch toll sein, aber man sollte sich bei der Entwicklung auf die Stärken dieses Mediums konzentrieren. Auch da wird einen wieder bewusst, dass What Remains of Edith Finch einen gewissen goldenen Standard gesetzt hat für alle kommenden narrativen Erlebnisse.
Das Game-Design warf manchmal Fragen auf, ich hatte oft das Gefühl, dass das Spiel uns unabsichtlich in den verwirrten Zustand der Protagonistin führen wollte, weil manche Dinge einfach keinen Sinn ergaben oder vielleicht auch nicht durchdacht genug waren. Dass die Tagebucheinträge unterschiedlich freigeschaltet wurden, da war keine Linie zu erkennen. Am Ende fehlten mir gar 3 Einträge, muss ich irgendwo übersehen haben, nur wo? Normalerweise waren die Einträge sehr wichtig für die Story, sowas kann man nicht in der Welt zum Suchen platzieren, das kann man mit nebensächlichen Informationen machen. Aber gut, ich habe schließlich dennoch alles Hauptsächliche verstanden und mitbekommen.
Was die Game-Direction betrifft, da hätte ich mir ein direkteres Story-Telling gewünscht. Es ist vielleicht sogar zu kunstvoll ausgefallen, ein mehr dokumentarischer Stil hätte sicherlich effektiver sein können, um uns diese wahre Begebenheit näher zu bringen, um uns aufzuklären, was die Entwickler ja nunmal im Sinn hatten. Ist aber Kritik auf hohem Niveau.
The Town of Light erzählt uns holprig eine wahre Geschichte, die aber hochatmosphärisch ist, die wertvoll ist, die unter die Haut geht. Bitte mehr von derart erwachsenen interaktiven Erlebnissen!
7.5/10